Zeichen der Zeit:

„Wir nehmen den Schutz Ihrer Daten sehr ernst. Grins.“

Achtung, sie kommt. Wegducken hilft nix. Ob Sie eine schnuckelige Familienhomepage oder einen Onlineshop betreiben – am 25. Mai schlägt sie bei Ihnen ein. Die EU-Datenschutzgrundverordnung. DSGVO ist Anwalts Liebling. Der eine verdient dran, die Homepage rechtssicher zu machen, der andere an der Abmahnung, wenn die Homepage nicht rechtssicher (genug) ist. Und der Dritte, wenn’s zur Gerichtsverhandlung kommt.

Selbstverständlich ist es sinnvoll, dem Datenschutz mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Mehr als die Daten müssen deren Besitzer geschützt werden. Aber mal ehrlich – von wem gehen Gefahren für den User aus? Vom Internetauftritt des örtlichen Handwerkers oder von Google, Facebook & Co.? Die Datenkraken und nicht die kleinen Lichtlein einzubremsen, das misslingt gerade zielsicher.

Nehmen wir Facebook. Hui, die Verantwortlichen haben angekündigt, sie wollten sich der DSGVO „unterwerfen“. Sapperlot. Die Maßnahmen, die Facebook deshalb ergreifen wolle, sollen den Usern „mehr Kontrolle über ihre Privatsphäre geben und erklären, wie wir die Daten nutzen“. So transparent. Frage: Wem steht wohl – ganz grundsätzlich gedacht – die größtmögliche Kontrolle über seine Privatsphäre zu? Die absolute, unteilbare Kontrolle? Das Recht auf Privatsphäre gilt ja bloß als Menschenrecht. Unveräußerlich. Wenn vor diesem Hintergrund Facebook den Usern ein wenig Kontrolle über deren Privatsphäre abgibt – ja woher hatte es denn die? Die geben etwas ab, was ihnen eh nicht gehört. Das ist kein Geschenk. Kein Grund, ergriffen vor Dankbarkeit das Haupt vor Facebook zu neigen.

Ja, billig. Immer feste einschlagen auf Facebook. Denn die Frage haben wir noch nicht beantwortet: Woher haben die nur unsere Daten? Geklaut haben sie sie ja nicht. Eröffnet man ein Facebook-Konto, erklärt man sich mit dem Geschäftsgebaren des Konzerns einverstanden. Die Daten sind ein Geschenk. Schenga, wiedernemma, derf da Deife d’Fiaß vabrenna. Wer mangelnde Kontrolle über seine Privatsphäre beklagt, sollte sie vorher nicht leichtfertig wegschenken.
Wer hätte aber auch gedacht, dass Facebook mit Daten Geschäfte macht? Ach, Facebook ist gar nicht karitativ? Kostet nix, ist sozial. Social Media, heißt sogar so. Was, die machen Gewinn? Aber bloß 4,99 Milliarden US-Dollar. Im ersten Quartal 2018.

Eigentlich ist alles ganz einfach: Wir leben im Kapitalismus. Der Produzent produziert und verkauft, der Konsument kauft und nutzt das Produkt. Der Bäcker backt Brot und verkauft, der Verbraucher erwirbt und isst es. Ganz einfach. Eine ökonomische Zweierbeziehung mit drei Beteiligten: Anbieter, Kunde, Ware. Zwei Parteien mit Rechten und Pflichten, eine Partei ohne Rechte, aber mit der Pflicht zu funktionieren. Was für Backwerk gilt, gilt auch für Kleidung, Möbel, Autos, Häuser. Für alles. Jedes Gut, mit dem Geld verdient wird, ist Teil dieses Systems der ökonomischen Zweierbeziehung. Jedes. Auch Facebook.
Wieso Facebook? Wir, die Konsumenten können es doch nutzen ohne zu bezahlen! Und dennoch: die Facebook Inc. verdient an ihrem Produkt. Spätestens hier müsste es klingeln. Facebook verdient – wir zahlen nicht. Als mündige Bürger sollten wir relativ schnell auf den Trichter kommen, dass wir Teil der ökonomischen Zweierbeziehung mit drei Beteiligten sind. Anbieter sind wir nicht, Kunden auch nicht, weil wir für die Leistung nichts bezahlen. Bleibt für uns noch eine Rolle übrig. Wir sind die Ware. Mit der Pflicht zu funktionieren. So schaut’s aus.

Diese Tatsache blenden wir gerne aus. Wer will schon Ware sein? Mündiger Bürger ja, Handelsware nein. Dünnes Eis, ich weiß. Sie halten bumberlgsund in Händen. Sie bekommen das Regionalmagazin umsonst. Aber im Gegensatz zu Facebook entwickeln wir keine Algorithmen, mit deren Hilfe wir ein Profil von Ihnen erstellen und Ihr Konsumverhalten voraussagen. Und weil wir keine Daten erheben, können wir sie auch nicht verkaufen. Sie persönlich sind nicht unsere Ware. Wir verkaufen über die Produktqualität und über die Auflage. Unsere Rechtfertigungsarie wäre hiermit gesungen.

Als Nutzern ist es den meisten von uns durchaus bewusst, dass Facebook mit unseren Daten verdient. Aber: Wir wollen das nicht. Wir empfinden den Handel mit unseren Daten als Skandal.

Skandale sind wichtig, klar. Regt sich niemand auf über Ungerechtigkeit, Machtmissbrauch, Korruption, Betrug, dann läuft was schief in der Gesellschaft. Da wären die Skandale, die es wert sind, sich zu empören: Wenn Filmfritzen Schauspielerinnen auf die Besetzungscouch zwingen und demonstrieren, wie ernst es die Arbeitswelt mit der Gleichberechtigung nimmt; wenn manchen Automobilkonzernen Umwelt und unsere Gesundheit am Auspuff vorbeigehen.

Und da wären die Facebook-Skandale. Ärgerlich, ja. Aber „Skandale“? Die etwaige Wahlmanipulation durch Cambridge Analytica ist unschön. Facebooks Verständnis von „Gemeinschaftsstandards“ – unschön. Die Ansichten, die Facebook in punkto Datenschutz vertritt – unschön. Wer das alles zu Skandalen stilisieren will, der räumt Facebook einen Stellenwert ein, der ihm nicht zusteht.

Facebook ist überschätzt, spätestens seit dem Arabischen Frühling 2011, der zur „Facebook-Revolution“ hochgejazzt wurde. Sicherlich, Social Media trugen dazu bei, dass Menschen jenseits allgegenwärtiger staatlicher Kontrolle gegen Regimes opponieren konnten, unbenommen. Wo’s mit Demokratie mau ausschaut, da mag Facebook ein gewisses Demokratisierungspotenzial haben. Bei uns eher nicht. Facebook ist nicht staatstragend. Katzenbildchen sind nicht staatstragend, das Foto von meinem Abendessen ist nicht staatstragend. Facebook taugt noch nicht mal besonders zum Informationsmedium. Jeder kann hier seine Meinung verbreiten, und sei sie noch so hanebüchen. Es ist ein Unterhaltungsmedium, ein Ego-Spielplatz, nicht mehr.

Es liegt an jedem Einzelnen, mit welchen Daten er die Krake füttert. Wer „Meine Daten gehören mir“ sagt, der sollte sich genau überlegen, wo er diese Daten deponiert. Ansonsten könnte man auch behaupten, „mein Geld gehört mir“, es auf die Straße legen, nach Hause gehen und erwarten, dass man’s nächste Woche auf demselben Platz unberührt vorfindet. Eine Idee, die relativ zügig in der Kategorie „Eher nur so halbgut“ landet. Warum schaffen wir diese Erkenntnis nicht, sobald es um unsere Daten geht? Es würde reichen, eine einfache Regel zu verinnerlichen: Wer nicht wie eine Ware behandelt werden will, sollte sich nicht ins Schaufenster legen.

Den Facebooks, Googles, Amazons dieser Welt müssen wir intensiver auf die Finger schauen. Die machen mit unseren Daten, was ihnen gefällt. Für die wäre eine wirksame Datenschutzgrundverordnung recht und billig. Aber was passiert? Man stülpt den Google- und Facebook-Hut dem Bäckermeister über und wundert sich dann, dass für den darunter das Licht ausgeht. Die Giganten haben ihre Programmierer längst darauf angesetzt, die wahren Machenschaften so zu verkleiden, dass sie rechtskonform erscheinen. Immer schön verschleiern und im Nebel die nächste Ausbaustufe zünden. Ein bisserl Gesichtserkennung hier, ein bisserl Alexa-Spionage dort. Datenschutz? Was haben wir gelacht. Andreas Falkinger